Autor: Björn Staschen

  • Warum wir ein „Autoplay“ für Nachrichten brauchen

    Warum wir ein „Autoplay“ für Nachrichten brauchen

    Der Aufbau unseres Mediensystems führt dazu, dass Menschen auch mit Nachrichten in Kontakt kommen – und das ist gut so. Die Abkehr vom linearen Medienkonsum bringt diesen Nachrichten-Grundkontakt allerdings ins Wanken.

    Als es noch möglich war, vor der Pandemie, verbrachte ich mit meiner Familie einen zweiwöchigen Urlaub in Florida. Wir rollten einige hundert Kilometer über Autobahnen, um Städte, Alligatoren und Muschelbänke zu erforschen. Bei einer dieser langen Autofahrten näherte sich der Minutenzeiger der Armaturenbrett-Uhr der zwölf. Und ich begann damit, auf dem UKW-Radio unseres Mietwagens einen Sender zu suchen, der zur vollen Stunde Nachrichten ausstrahlte. Ich suchte und suchte, die Minuten vergingen. Als es schon ein oder zwei Minuten nach der vollen Stunde war, gab ich auf: Ich fand keinen Sender unter der Vielzahl der Pop-, Country- und Talkstation in der Nähe von Miami, der mich verlässlich zur vollen Stunde mit Nachrichten versorgen würde. Die Musik lief einfach weiter. Das hat mich irritiert.

    Offensichtlich sind lineare Medien in den USA weitaus weniger reguliert als bei uns in Deutschland: Hierzulande bin ich es gewohnt, zur vollen Stunde Nachrichten zu hören – und bei der Suche auf der Frequenzskala auch zu finden. Fast alle Sender bieten News, nicht nur die öffentlich-rechtlichen. Landesmedienanstalten knüpfen ihre Frequenzvergabe für kommerzielle Sender an Programmstandards. Dazu gehört auch, dass terrestrisch oder über Kabel verbreitete Sender, wenn sie eine Frequenz ergattern wollen, eben Nachrichten anbieten sollten.

    Nachrichtenvermeidung erfordert aktives Handeln

    Und so ist es im Umkehrschluss in Deutschland auch verdammt schwer, keine Nachrichten zu hören: Wer im Auto auf dem Weg zur Arbeit oder morgens im Bad beim Duschen lineares Radio hört, stolpert zwangsläufig über Nachrichten. Wie der Bärenkopf im deutschen Silvester-Hit „Dinner for One“: Die Nachrichten liegen immer wieder im Weg, zu jeder vollen Stunde, und wer keinen Umweg nimmt, stolpert eben.

    Das heißt auch: Wer keine Nachrichten hören möchte, muss bewusst wegschalten. Zur Wahl stehen die wenigen Sender, die ihre Nachrichten schon fünf Minuten vor der vollen Stunde senden. Aber auch diese Stationen senden Nachrichten. Wer keine Informationen hören möchte, muss bewusst ausweichen, sonst rieseln sie in die Ohren wie Musik, Gewinnspiele und Werbung davor und danach. Nachrichtenvermeidung erfordert aktives Handeln. Der passive Mediennutzer ist gefangen im linearen Lauf des Tages.

    Das ist kein Zufall, es ist so gewollt: Als Politiker:innen unsere Rundfunkordnung entwarfen, setzten sie bewusst auf das Nebeneinander von Information und Unterhaltung. Im Medienstaatsvertrag, der aktuellen Entwicklungen wie der Digitalisierung mühsam hinterherhinkt, findet sich der Begriff des „Vollprogramms“. Und selbst in privaten Vollprogrammen müssen nach §25 „die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen (…) angemessen zu Wort kommen.“ Das Ziel ist Meinungsvielfalt, und die lässt sich nicht mit einem Musikteppich herstellen.

    Traumquoten dank Fußball

    Das Nebeneinander von Unterhaltung und Information funktioniert. Denn wenn zur Fußball-Europa- oder Weltmeisterschaft „Tagesthemen“ und „heute journal“ in der Halbzeitpause gekürzte Ausgaben ausstrahlen, ist dies keine Verlegenheitslösung: Die Chefs der Nachrichtenredaktionen freuen sich auf diese Quotenbringer. Und die Redaktionen passen ihre Planungen an und versuchen, das besonders große und heterogene Publikum bei der Themenauswahl im Hinterkopf zu haben. Denn die Millionen Fußballfans, die sich vor den Fernsehern versammelt haben, bleiben – trotz Pinkelpause – auch in der Halbzeit dran.

    „Wenn wir uns dieser Veränderung mit der Brille derjenigen nähern, die unsere Medienordnung schufen, um Meinungsvielfalt zu sichern, dann muss an dieser Stelle Regulierung dringend nachziehen.“

    Nachrichten erreichen auf diese Weise Traumquoten, bis zu 24 Millionen Menschen schauen solche Halbzeitnachrichten. Vielleicht holen die einen Bier, vielleicht unterhalten sich die anderen – im Kern „stolpern“ aber auch diese Fußballfans massenhaft über Nachrichten. Und das ist gut so, denn es trägt zu Information und Meinungsbildung bei. Nur so werden Nachrichten zum Smalltalk-Thema am Gartenzaun oder Partytalk beim Fußballabend – insbesondere dann, wenn sie gut, also zielgruppengerecht, produziert werden.

    Aus meiner Sicht haben wir es in Deutschland (und in anderen Länder Europas) richtig gemacht: Unsere Medienregulierung führt eben (auch) dazu, dass Nachrichten zum täglichen Medienmenü gehören, anders als in den USA, wo das National Public Radio (NPR) mit seinen alliierten Regionalstationen eher am Rande der Gesellschaft funkt, während die Mitte häufig von Nachrichtenangeboten nicht oder nur unzureichend erreicht wird. Allerdings: Auch in Deutschland geht die lineare Mediennutzung stetig zurück. Und damit sinkt eben auch die Chance, dass Menschen in Deutschland über Nachrichten stolpern. Die Fähigkeit zur informierten Meinungsbildung gerät in Gefahr – und damit unser demokratisches System.

    „Binge Watching“ als Geschäftsmodell

    Die Langzeitstudie „Massenkommunikation“ von ARD und ZDF, die seit den 60er Jahren Mediennutzung in Deutschland unter die Lupe nimmt, zeigt schon jetzt, dass in der Altersgruppe der 14- bis 29-jährigen 80 Prozent ihre Musik über Streaming-Plattformen wie YouTube und Spotify hören. Nur noch 68 Prozent nutzen daneben auch das Radio – Tendenz fallend. Derlei Beobachtungen und Studien gibt es viele – Mediennutzung verlagert sich auf nonlineare Kanäle, zu Lasten der linearen Ausstrahlung. In dieser Entwicklung liegen aus meiner Sicht viele Herausforderungen, derer sich Medienpolitik und Gesellschaft stellen sollten. Eine hat damit zu tun, dass Menschen in der Medienwelt von gestern über Nachrichten „stolperten“: Denn Streaming-Dienste wie Spotify, YouTube, Netflix oder Amazon Prime setzen alles daran, dass genau das nicht passiert.

    „Binge Watching“ ist das Geschäftsmodell der neuen Mediengiganten, Nutzer sollen möglichst lange dranbleiben. Nicht umsonst reicht der Countdown am Ende einer Serienfolge selten aus, um auf der Fernbedienung oder dem Handy rechtzeitig „Stopp“ zu drücken: „Die nächste Folge beginnt in 15 Sekunden.“ Die Streaming-Dienste setzen alles daran, Mediennutzung möglichst unterbrechungsfrei zu gestalten, länger und länger und länger.

    „Aus meiner Sicht haben wir es in Deutschland richtig gemacht: Unsere Medienregulierung führt eben (auch) dazu, dass Nachrichten zum täglichen Medienmenü gehören, anders als in den USA.“

    Das Ziel: Niemand soll ins Stolpern kommen. Bei Netflix, Spotify & Co. braucht es den aktiven Nutzer und die aktive Nutzerin, um den Stream der immergleichen Serien zu beenden. Und es braucht den aktiven Nutzer und die aktive Nutzerin, der oder die sich auf die Suche nach Nachrichten begibt.

    Dies ist der entscheidende Paradigmenwechsel in der Mediennutzung: In der linearen Medienwelt musste der- oder diejenige aktiv werden, der Nachrichten vermeiden wollte: Handeln, um keine News zu konsumieren. In der nonlinearen Welt braucht es den aktiven Nutzer, damit News konsumiert werden.

    Meinungsvielfalt und Informationsfreiheit in Gefahr

    Wenn wir uns dieser Veränderung mit der Brille derjenigen nähern, die unsere Medienordnung schufen, um Meinungsvielfalt zu sichern, dann muss an dieser Stelle Regulierung dringend nachziehen. Die Medienpolitik hat seinerzeit bewusst auf Vollprogramme gesetzt, um möglichst viele Menschen auch mit Information und vielfältiger Meinung zu erreichen. Und niemand wird der Feststellung widersprechen, dass Meinungsvielfalt und Informationsfreiheit heutzutage mehr denn je in Gefahr sind.

    Übrigens haben die, die auf linearen Kanälen in streng reguliertem Rahmen senden, egal ob öffentlich-rechtlich oder kommerziell, einen schwerwiegenden strategischen Nachteil: Sie müssen den Anforderungen an ein Vollprogramm genügen, während Netflix individuelle Medienkost in deutsche Haushalte liefern kann, die im Zweifel vollkommen frei von Informationen ist. RTL und ZDF müssen regelmäßig Nachrichten senden (und deren Produktion finanzieren), während Amazon Prime diese Pflicht nicht erfüllen muss.

    Mancher mag einwenden, dass auch Netflix hochwertige Dokumentationen und Spotify anspruchsvolle Podcasts fertigt. Das ist richtig. Nur wer sie schauen möchte, muss sie aktiv suchen. Hier liegt der feine, aber entscheidende Unterschied.

    Die Aktivisten der „Humane Technology“-Bewegung fordern, das Autoplay der nächsten Folge beim Serien-Streaming abzuschalten. Gegen Mediensucht und „Binge Watching“: Menschenfreundliche humane Technologie bedeute eben, im Design nicht jede mögliche Versuchung vorzusehen, sondern ebendiese möglichst zu vermeiden.

    Die Aktivisten einer meinungsvielfältigen Gesellschaft sollten entsprechend fordern, dass nonlineare Medien aktiv Nachrichten und Informationen anbieten müssen – quasi ein Autoplay für die Tagesschau. Die Nutzer*innen müssen auch bei nicht-linearen Plattformen ins Stolpern kommen. Sie müssen sich aktiv entscheiden und ihre Fernbedienung aus den Sofakissen bergen, ihre Handys von der Ladeschale nehmen und „Ich möchte keine Nachrichten schauen“ drücken, um Informationen zu vermeiden. So, wie sie in linearen Kanälen aktiv umschalten müssen, wenn sie keine News wünschen.

    Denkbar wäre, dass per Rundfunkbeitrag finanzierte Informationsinhalte allen Anbietern zur Verlinkung zur Verfügung stehen. Dann müssten Netflix, Spotify & Co. – auch, wenn sie es angesichts ihres kommerziellen Erfolges ohne Zweifel könnten – nicht in die teure Produktion von Nachrichten und Information einsteigen. Aber das sind Details. Wichtig ist das verpflichtende, regelmäßige Angebot: „Hier sind Deine Informationen.“ Oder: „Jetzt kommen die Nachrichten!“ Im übertragen Sinne müssen also auch in der nichtlinearen Welt die Bärenfelle von „Dinner for One“ ausgerollt werden, samt ihrer Köpfe: damit wir Nutzer*innen in der Rolle des Butlers immer wieder im besten Sinne über journalistischen Nachrichten und Informationen stolpern.

    Im Kern muss Medienregulierung also sicherstellen, dass Nachrichten weiter ihre Nutzer*innen finden. In dieser Richtung. Und nicht Nutzer*innen ihre Nachrichten aktiv suchen müssen.

    Die Zeit drängt. Denn schon heute lassen wir weltweit soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter agieren, die ausschließlich kommerziellen Entscheidungen folgen. Wie sie Wahlen und andere demokratische Prozesse beeinflussen, ist spätestens seit der Randale im US-Kapitol deutlich geworden. Wenn lineare Medien, in denen Informationen noch ihren Platz haben, gleichzeitig an Bedeutung verlieren und Regulierung ihnen in den nonlinearen Medien diesen Platz nicht zuweist, wird unsere Demokratie es schwer haben.

    Dieser Beitrag ist in einer Kooperation von Vocer und dem journalist entstanden. Der Beitrag wird in dem Buch „Wie wir den Journalismus widerstandfähiger machen“ erscheinen. Herausgeber sind Vocer-Mitgründer Stephan Weichert und journalist-Chefredakteur Matthias Daniel.

  • Why We Need „Autoplay“ For News

    Why We Need „Autoplay“ For News

    The structure of our media system means that people also come into contact with news – and that’s a good thing. However, the move away from linear media consumption is shaking up this basic contact with news.

    When it was still possible, before the pandemic, I spent a two-week holiday in Florida with my family. We drove a few hundred kilometres along highways, exploring towns, watching out for alligators and shells. On one of those long drives, the minute hand on the dashboard clock approached twelve. And I began searching for a station on our rental car’s FM radio that broadcast news on the hour. I searched and searched, the minutes passed. When it was already a minute or two past the hour, I gave up: I couldn’t find a station among the multitude of pop, country and talk radios around Miami that would reliably provide me with news on the hour. The music just kept playing. This irritated me.

    Obviously, linear media are far less regulated in the USA than here in Germany: In this country, I’m used to hearing news on the hour – and finding it when searching the frequency scale. Almost all stations offer news, not only the public broadcasters. State media authorities tie their frequency allocations for commercial stations to programme standards. This also means that terrestrial or cable stations are expected to offer news if they want to get hold of a frequency.

    News avoidance requires deliberate action

    And so, conversely, it is also damn hard not to listen to the news in Germany: If you listen to linear radio in the car on the way to work or in the bathroom in the morning while taking a shower, you are bound to stumble across news. Like the dead bear’s head in the New Year’s Eve hit „Dinner for One“ (funnily only popular in Germany whereas it´s presented by British comedian Freddie Frinton): the news is always in the way, every hour on the hour, and if you don’t take a diversion, you stumble.

    This also means that if you don’t want to listen to the news, you have to consciously switch off. The choice is between the few stations that broadcast their news five minutes before the hour. But even these stations broadcast news. If you don’t want to hear information, you have to consciously avoid it, otherwise it will trickle into your ears like music, sweepstakes and advertising before and after. News avoidance requires deliberate, active action. The passive media user is trapped in the linear course of the day.

    This is no coincidence, it is by design: When politicians drafted our broadcasting regulations, they deliberately opted for the coexistence of information and entertainment. In the State Media Treaty (which is is sadly lagging behind current developments such as digitalization), the term „full programme service“ is used. And even in private complete or “full programmes”, according to §25, „the significant political, ideological and social forces and groups (…) must have an appropriate say.“ The goal is diversity of opinion, and that cannot be achieved with only music.

    Dream ratings thanks to football

    The coexistence of entertainment and information works. Because when „Tagesthemen“ and „heute journal“ broadcast shortened editions during the half-time break for the European Football Championship or the World Cup, this is no coincidence: the heads of the newsrooms look forward to these ratings boosters. And the editorial departments adjust their planning and try to have the particularly large and heterogeneous audience in mind when selecting news topics. After all, the millions of football fans who have gathered in front of their televisions stay tuned – despite the pee break – even during half-time.

    News reaches dream ratings in this way, up to 24 million people watch such half-time news. Maybe some get a beer, maybe others chat – but in essence, these football fans also „stumble“ across news en masse. And that’s a good thing, because it contributes to information and opinion-forming. Only in this way can news become a small-talk topic on the garden fence or party talk at football night – especially if it is produced well, i.e. in a way that is suitable for the target group.

    From my point of view, we have done the right thing in Germany (and in other European countries): our media regulation (also) leads to news being part of the daily media menu, unlike in the USA, where National Public Radio (NPR) with its allied regional stations tends to broadcast at the fringes of society, while the middle is often not or only insufficiently reached by news. However, linear media use is also steadily declining in Germany. And with it, the chance that people in Germany will stumble across news is also decreasing. The ability to form informed opinions is in danger – and with it our democratic system.

    „Binge Watching“ as a Business Model

    The long-term study „Massenkommunikation“ (Mass Communication) by ARD and ZDF, which has been examining media use in Germany since the 1960s, already shows that in the age group of 14 to 29-year-olds, 80 percent listen to their music via streaming platforms such as YouTube and Spotify. Only 68 percent also use radio – and this trend line shows downward. There are many such observations and studies – media use is shifting to non-linear channels at the expense of linear broadcasting.

    In my view, this development poses many challenges that media policy and society should address. One has to do with people „stumbling“ over news in yesterday’s media world: Because streaming services like Spotify, YouTube, Netflix or Amazon Prime do everything they can to ensure that exactly that does not happen.

    „Binge watching“ is the business model of the new media giants, users are supposed to stay tuned for as long as possible. It’s not for nothing that the countdown at the end of a series episode is rarely enough to press „stop“ on the remote control or mobile phone in time: „The next episode starts in 15 seconds.“ Streaming services are doing everything they can to make media use as uninterrupted as possible, longer and longer and longer.

    The goal: no one should stumble. With Netflix, Spotify & Co. it takes an active user to stop streaming the same series over and over again. And it takes the active user to go in search of news.

    This is the decisive paradigm shift in media use: in the linear media world, those who wanted to avoid news had to take action: Act to not consume news. In the non-linear world, the active user is needed to consume news.

    Diversity of opinion and freedom of information at risk

    If we approach this change through the eyes of those who created our media order to ensure diversity of opinion, then regulation must urgently follow suit at this point. At the time, media policy deliberately focused on full (complete) programmes in order to reach as many people as possible with information and diverse opinions. And no one will disagree with the statement that diversity of opinion and freedom of information are more in danger today than ever before.

    Incidentally, those who broadcast on linear channels in a strictly regulated framework, whether public or commercial, have a serious strategic disadvantage: they have to meet the requirements of a full programme, whereas Netflix can deliver individual media content to German households that is, in case of doubt, completely free of information. RTL and ZDF must regularly broadcast news (and finance its production), while Amazon Prime does not have to fulfil this obligation.

    Some may object that Netflix also produces high-quality documentaries and Spotify sophisticated podcasts. That is true. But if you want to watch them, you have to actively search for them. This is the subtle but decisive difference.

    The activists of the „Humane Technology“ movement demand that the autoplay of the next episode be switched off when streaming series. Against media addiction and „binge watching“: Humane technology means not providing for every possible temptation in the design, but avoiding it as much as possible.

    The activists of an opinion-diverse society should accordingly demand that non-linear media actively offer news and information – a kind of autoplay for the daily news. Users must also be able to stumble upon non-linear platforms. They have to actively decide and retrieve their remote control from the sofa cushions, take their mobile phones off the charger and press „I don’t want to watch news“ to avoid information. Just as they have to actively switch on linear channels if they don’t want news.

    It would be conceivable in my opinion that news content financed by a licence fees would be available to all providers. Then Netflix, Spotify & Co. – even if they undoubtedly could in view of their commercial success – would not have to get involved in the expensive production of news and information. But these are details. What is important is the obligatory, regular offer: „Here’s your information.“ Or: „Here comes the news!“ In a figurative sense, the bear skins of „Dinner for One“ have to be rolled out on the floors of the non-linear world, along with their heads: so that we users, in the role of the butler, keep stumbling across journalistic news and information in the best sense.

    In essence, media regulation must ensure that news continues to find its users. In this direction. And that users don’t have to actively search for their news.

    Time is pressing. Because already today we have social networks like Facebook and Twitter operating worldwide, following exclusively commercial decisions. How they influence elections and other democratic processes has become clear at the latest since the riot at the US Capitol. If linear media, in which information still has its place, simultaneously lose importance and regulation does not give them a place in non-linear media, our democracy will have a hard time.

    This article was written in cooperation with Vocer and journalist. The article will appear in the book „How we make journalism more resilient“. The editors are Vocer co-founder Stephan Weichert and journalist editor-in-chief Matthias Daniel.

  • Wider die Digitale Diktatur: „Freie Informationen sind das Rohöl einer lebendigen Demokratie“

    Wider die Digitale Diktatur: „Freie Informationen sind das Rohöl einer lebendigen Demokratie“

    Es ist paradox: Noch nie war es so einfach, seine Meinung zu äußern dank unzähliger Plattformen und Kanäle. Noch nie aber entschieden auch so wenige Menschen über die Regeln dieser Plattformen. Noch nie war die vor allem für unsere Demokratien entscheidende freie Meinungsbildung damit derart in Gefahr. Und noch nie waren die Zeichen, dies zu erkennen, so offensichtlich. Und trotzdem tun wir nichts. Wie kann das sein? Es ist Zeit für einen wütenden Aufschrei. Wir müssen handeln!

    Dabei ist das, was ich schreibe, banal, wenig originell oder überraschend. Aber dennoch tun wir nichts. Das, was ich schreibe, ist zudem hier und da oberflächlich und zugespitzt – aber Differenzierung hilft nicht mehr.

    Collage mit Verwendung von Pexels/Suzy Hazelwood/1098515

    Was ist das Problem?

    Drei Dinge passieren in diesen Tagen parallel:

    Erstens führt uns Elon Musk vor, was passiert, wenn ein Mensch mit viel Geld (oder anderen Machtinstrumenten) beabsichtigt, eine Debatten-Plattform nach seinem Gusto zu verändern. Ob er Twitter nun kauft (oder gekauft hat), ob er dort in den Aufsichtsrat einzieht (oder es schon wieder abgelehnt hat), ist fast egal: Das, was Musk in diesen Tagen betreibt, zeigt uns, wie anfällig die Organisationsstrukturen der großen Plattformen für Einfluss von außen sind. Nach dem Motto: Was mir nicht gefällt, das ändere ich. Was meinem Verständnis von freier Debatte widerspricht, ändere ich – unabhängig davon, ob ein gesellschaftlicher Konsens das ganz anders sehen würde.

    Es geht nicht nur um Twitter. Dasselbe gilt für Meta (mit Facebook, Instagram, Whatsapp und erheblichen Marktanteilen an VR-Plattformen), für Google, Amazon, Spotify, LinkedIn, Snapchat und TikTok: Ausschließlich dem einen Zweck – möglichst großem Gewinn – verpflichtete internationale Konzerne bestimmen zunehmend die Meinungsbildung, zumindest in den „westlichen“ Demokratien.

    Zweitens lernen wir in diesen Tagen, was Abhängigkeit bedeutet: Deutschland wusste, dass es abhängig ist von russischen Öl- und Gaslieferungen. Nun versucht es, sich aus dieser einseitigen Abhängigkeit zu befreien. Und der öffentliche Diskurs markiert deutlich: Abhängigkeit von einem Anbieter bei lebenswichtigen Gütern ist gefährlich, schränkt die Handlungsfähigkeit eines Staates ein.

    Wie steht es aber um das immaterielle Gut unabhängiger Informationen? Wissen wir hier nicht auch um unsere Abhängigkeit von einigen wenigen Akteuren – in diesem Fall nicht Staaten, sondern Plattformen? Trotzdem nehmen wir sie erst einmal hin. Dabei ist freie Information das Rohöl einer lebendigen Demokratie.

    Drittens führt uns der Krieg in der Ukraine genau das vor: wie entscheidend, wie geradezu lebenswichtig unabhängige Informationen sind. In diesem Zusammenhang aber gelingt es dem Konzern Meta sogar, im der öffentlichen Wahrnehmung Boden gut zu machen: Russland hat die Plattformen Facebook und Instagram als „extremistische Organisationen“ verboten. Die freie Welt jubelte auf und klopfte Marc Zuckerberg auf die Schultern dafür, dass er sich auf die „richtige“ Seite geschlagen habe (beispielsweise hier). Meta entschied sich sogar dafür, in einigen Ländern Aufrufe zu Gewalt gegen Vladimir Putin und russische Soldaten, sogar Todesdrohungen, zu erlauben. Wäre diese Entscheidung anders herum ausgefallen, hätte Meta Todesdrohungen gegen den ukrainischen Präsident erlaubt – der weltweite Aufschrei wäre riesig gewesen. Ja, Meta hat aus meiner Sicht in diesem Fall moralisch richtig gehandelt.

    Das Frappierende ist doch, dass der Konzern Meta sich allein entscheidet, auf welche „Seite“ er sich schlägt. „Allein“ heißt in diesem Fall: ohne jegliche öffentliche Aufsicht. Ohne ernstzunehmende Konsultation mit einer Öffentlichkeit (das Facebook Oversight Board ist nur Augenwischerei ohne bindende Wirkung).

    „Allein“ heisst, dass sozial auffällige Ex-Teenager wie Elon Musk oder Marc Zuckerberg entscheiden, wie die Meinungsbildung in der westlichen Welt läuft. Oder eben chinesische Oligarchen (bei TikTok), die an der Kandare des Regimes in Peking Unabhängigkeit vorspielen, aber kuschen, sobald der Staats- und Parteiapparat zuckt.

    Es gibt so viele deutliche Zeichen für das, was da passiert: neben der Ukraine oder den Geschehnissen bei Twitter auch der Skandal um Cambridge Analytica mit massivem Einfluss auf den US-Wahlkampf oder den Brexit. Zuletzt die massive Kampagne Russlands, die TikTok-Creator auf Spur brachte und Millionen Nutzer*innen Moskaus Propaganda ausspielte.

    Was bedeutet das?

    Wir sind nur wenige Schritte davon entfernt, dass alternative Medien, neben den großen Plattformen, ihr Publikum nicht mehr erreichen, dass Facebook, TikTok & Co. unsere Meinungsbildung beherrschen. Wir sind nur wenige Schritte davon entfernt, dass Einzelne intransparent entscheiden, was wir lesen und damit wissen dürfen, unterstützt von Algorithmen, die mehrheitlich von weißen, gut verdienenden Männern programmiert werden (der Bias von Algorithmen ist ein weiteres, komplexes Thema, auf das hier nicht näher eingegangen werden soll).

    Aber wollen wir weißen, sozial auffälligen Männern, chinesischen Diktatoren und voreingenommenen Algorithmen wirklich die Entscheidung darüber überlassen, was wir denken? Die millionenfach das verbreiten, was polarisiert und Gesellschaft spaltet? Die alles daran setzen, global Meinung zu beherrschen, weil dann ihre Kasse klingelt?

    „Digitale Diktatur“ scheint als Teufel an der Wand etwas weit gegriffen. Wenn eine „Diktatur“ aber als Herrschaftsform verstanden wird, die sich durch eine einzelne regierende Person, den Diktator, oder eine regierende Gruppe von Personen (z. B. Partei, Militärjunta, Familie oder die Führungsriege einer monopolistischen Plattform) mit weitreichender bis unbeschränkter politischer Macht auszeichnet, dann sind wir nicht so weit davon entfernt. Was wäre, wenn sich Meta auf Putins Seite geschlagen hätte? Was wäre, wenn ein größenwahnsinniger amerikanischer Präsident die Konzerne in seinem Land und damit Meinung gleichschaltete? Mir fiele mindestens ein Kandidat ein, dem ich das zutrauen würde.

    Wie war das nochmal mit der Meinungsvielfalt?

    Warum haben wir uns in Deutschland ein kompliziertes Mediensystem mit zahlreichen Checks & Balances geleistet? Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit Rundfunkräten, dezidierter Staatsferne, föderal organisiert und über einen „Beitrag“ – und eben keine Steuer – finanziert? Mit Landesmedienanstalten, die privaten Rundfunk beaufsichtigen? Ein System, das in vielen unserer Nachbarländer Vorbilder gefunden hat und seit dem 2. Weltkrieg ähnlich organisiert ist? Warum sind beispielsweise Verlage außenplural organisiert, warum ist das Bundeskartellamt mit besonderer Kompetenz und strengeren Regeln als bei reinen Wirtschaftsunternehmen für die Fusionskontrolle im Medienbereich zuständig?

    Weil wir überzeugt davon waren, dass die freie Meinungsäußerung zu schützen ist. Weil wir überzeugt davon waren, dass nicht zu viel Meinungsmacht in der Hand weniger konzentriert sein darf. Gilt das etwa nur in der analogen und linearen Welt, für gedruckte Zeitungen und Rundfunk über Antenne? Wie kann es sein, dass wir Übernahmen im Verlagssektor untersagen, während internationale Konzerne munter Meinungsmonopole zimmern? Meta wäre in Deutschland mutmaßlich zerschlagen worden, wenn es den Regeln linearer Medienkonzerne hätte gehorchen müssen.

    Ist digitale Meinungsvielfalt weniger Wert als lineare? Ist sie nicht ebenso schützenswert? Warum werfen wir in der digitalen Welt die Werte über den Haufen, die wir in der linearen Medienwelt verteidigen?

    Und was tun wir?

    Wir zucken mit den Schultern, nutzen weiter die Familien-, Kindergarten- und Schul-Whatsapp-Gruppe („auf Signal fehlen ja drei Mitglieder“), teilen mit Opa und Oma auf Facebook Urlaubsbilder und sonnen uns auf Instagram. Unsere Kinder sind auf TikTok unterwegs, der meist unterschätzen (weil Erwachsenen weitgehend unbekannten) Plattformen und sehen dort vor allem Corona-Kritik, Kriegspropaganda und falsche Schönheitsideale.

    „Den Kopf in den Sand zu stecken“ bedeutet in der digitalen Welt, den Kopf gesenkt hinter unseren Handyscreens zu verstecken. Statt mit unseren Kindern zu lachen, verbringen wir Stunden damit, unsere Nutzungsdaten ins Silicon Valley zu beamen. Statt aufzustehen und zu handeln, sind wir das denkbar schlechteste Vorbild für reflektiertes Mediennutzungsverhalten, individuell wie auf gesellschaftlicher Ebene.

    Denn die, die Politik und Medien gestalten, verweisen bequem auf den „Too Big To Fail“-Unsinn. Erinnert sich jemand an Myspace? Gibt´s nicht mehr. Das Römische Reich übrigens auch nicht. Plattformen können auch eingehen, wenn ihnen die Nutzer*innen weglaufen. Nur tun wir kaum etwas dafür, die großen Plattformen heute zu schwächen, im Gegenteil.

    Wir beschäftigen uns mit „Rückleitungsstrategien“, das heisst: Erst einmal veröffentlichen Verlage und Sender ihre kostbaren Inhalte auf Facebook, Youtube, TikTok & Co., um im zweiten Schritt zu versuchen, Nutzer wieder in Mediatheken und eigene Angebote zu lotsen. Das Kind ist so tief im Brunnen, dass wir manche Nutzer*innen anders auch nicht mehr erreichen würden.

    Was wir aber eigentlich tun: Wir stärken mit unseren Inhalten weiter die, die unsere Werte verachten. Wir stärken mit Erklärvideos, abgewogener Diskussion und konstruktivem Journalismus die Konzerne, die verwirren, polarisieren und zerstören. Solange Menschen unsere Angebote auf polarisierenden, demokratiefeindlichen Plattformen finden, werden sie sie auch weiter nutzen.

    Wir Medien stecken die Fördermittel ein, mit denen uns Google´s „Digital News Initiative“ und das „Facebook Journalism Programme“ locken. Geld, das die Plattformen auch verdient haben, weil sie die klassischen Medien fortwährend schwächen. Diese angeblichen Förderprogramme sind an Zynismus nicht zu überbieten: Diejenigen, die klassische Medien zerstören, gewähren großzügig lebensverlängernde Finanzspritzen. Und wer auf Zitate von Menschen wie Nick Clegg verweist, dem „President for Global Affairs“ bei Meta, der verständnisvoll und differenziert versucht, sein Unternehmen freundlicher wirken zu lassen, dem sei gesagt: Das ist alles Schein, höchstens good-will, aber ohne jede belastbare Basis dafür, dass sein Konzern sich nicht auf die „andere“ Seite schlägt, wenn es Spitz auf Knopf steht. Marc Zuckerberg hat jede Vorkehrung getroffen, dass auch seine Nachfahren das Sagen im Konzern haben – und kein „President Of Global Affairs“ oder „Oversight Board“. Sie alle agieren nur nach Zuckerbergs Gnaden.

    Was müssen wir tun?

    Wir – jeder einzelne – müssen uns heute von WhatsApp abmelden und Alternativen nutzen.

    Wir müssen uns von Facebook und Instagram abmelden und unsere Kinder überzeugen, TikTok den Rücken zu kehren.

    Wir müssen die stille Macht von Spotify über die Musik, die wir lieben, und das Wort, dem wir lauschen, in Podcasts hinterfragen und Alternativen stärken.

    Wir müssen damit jetzt anfangen, bevor es zu spät ist.

    Wir müssen die bestehenden Plattformen schwächen, indem wir unsere Inhalte dort nach und nach nicht mehr veröffentlichen.

    Wir müssen alternative Plattformen stärken: Es gibt sie ja! Beispielsweise die öffentlich-rechtlichen Mediatheken, oder die der Privatsender, die endlich über eine Zusammenarbeit sprechen! Oder Internet-Nischen wie piqed, DuckDuckGo, Qwant (vom Springer-Konzern) – oder die Produkte der Mozilla Foundation.

    Das bedeutet auch: Wir müssen alternative Finanzierungsmodelle – Bezahlung und Werbung – für Medien und die Creator-Economy entwickeln. Denn nur, wenn ein alternatives Ökosystem auch Einkommen sichert, wird es stark genug sein, um zu bestehen.

    Wenn wir nicht damit beginnen, ein alternatives Plattform-System zu bauen, gibt es auch keine digitalen Orte, an denen wir uns statt auf Facebook, Youtube und TikTok treffen können. Wir brauchen diese Orte aber, spätestens dann, wenn Medienpolitik die großen Plattformen einschränkt.

    Dieser Text ist nicht der richtige Ort, um die Struktur dieser alternativen Plattformen zu entwerfen (damit beschäftigen sich Initiativen wie beyondplatforms.) Aber wir müssen damit beginnen, ins Gespräch kommen, und schnell aufbauen, ausprobieren, Erfahrungen sammeln.

    Wir müssen gemeinsam handeln – öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunk, Zeitungs- und Zeitschriftenverlage genauso wie diejenigen, die digital hochwertige Inhalte produzieren (ob wir sie nun Content Creator oder Journalisten nennen). Während öffentlich-rechtliche Sender und Verlage ihre immerwährende Fehde über Onlineinhalte ausfechten und sich gegenseitig schwächen, ziehen die Plattformen als lachende Dritte an beiden vorbei.

    Wir müssen unsere Medienpolitik reformieren und handlungsfähig machen: Oft sind wir im Medien-Föderalismus noch nicht einmal in der Lage, national handeln (siehe der Streit um den Rundfunkbeitrag oder die anachronistischen Regeln der Medienaufsicht). Wir beschränken uns darauf, einen Teil der Meinungsmaschine zu regulieren – nämlich den, der in Deutschland greifbar ist. Damit benachteiligen wir Verlage und Sender in Deutschland gegenüber internationalen Plattformen, die dagegen quasi unreguliert Inhalte verbreiten.

    Medienpolitik muss Meinungsvielfalt sichern – beispielsweise, in dem Algorithmen veröffentlicht werden müssen und demokratisch legitimierte Gremien die Inhalte der Plattformen beaufsichtigen. Vermutlich muss Medienpolitik auch entflechten (also enteignen), wenn eine Plattform in einem Publikumssegment zu große Meinungsmacht auf sich konzentriert. Sie muss den Zugang blockieren, wenn strafbare Inhalte nicht gelöscht werden (Telegram hat gerade noch die Kurve bekommen).

    Wie einflussreich und mächtig die großen Plattformen sind, sehen wir Tag für Tag. Es ist Zeit zu handeln, Zeit, die Meinungsvielfalt und damit unsere Demokratien zu verteidigen und den Einfluss der großen Plattformen entschieden zurückzudrängen.

    Geschichte fragt rückblickend immer auch: Und was hast Du getan? Wir können nicht sagen, dass wir nicht gewusst haben, wie groß die Gefahr für unsere Demokratien ist. Wenn die großen Plattformen weiter erstarken – und das ist ohne jeden Zweifel ihr Ziel! -, dann ist der Weg zur Digitale Diktatur nicht weit.

  • Against a Digital Dictatorship: „Free Information is the Crude Oil of a Living Democracy“

    Against a Digital Dictatorship: „Free Information is the Crude Oil of a Living Democracy“

    It’s a paradox: Never before has it been so easy to express one’s opinion thanks to countless platforms and channels. But never before have so few people decided on the rules of these platforms. Never before has the free formation of opinion, which is so crucial for our democracies, been in such danger. And never before have the signs of recognising this been so obvious. And yet we do nothing. How can this be? It is time for an angry outcry. We must act!

    Yet what I write is banal, not very original or surprising. But still we do nothing. Moreover, what I write is superficial and pointed here and there – but differentiation no longer helps.

    Collage with Pexels/Suzy Hazelwood/1098515

    What is the problem?

    Three things are happening in parallel these days:

    First, Elon Musk demonstrates what happens when a person with a lot of money (or other instruments of power) intends to change a debate platform to his liking. Whether he buys (or has bought) Twitter, whether he joins its supervisory board (or – as he has – rejects it) is almost irrelevant: what Musk is up to these days shows us how susceptible the organisational structures of these platforms are to outside influence. According to the motto: What I don’t like, I will change. What contradicts my understanding of free debate, I will change – regardless of whether a social consensus would see it quite differently.

    It’s not just about Twitter. The same goes for Meta (with Facebook, Instagram, Whatsapp and significant market shares in VR platforms), for Google, Amazon, Spotify, LinkedIn, Snapchat and TikTok: International corporations committed exclusively to one purpose – making as much profit as possible – are increasingly determining the formation of opinion, at least in our „Western“ democracies.

    Secondly, we are learning these days what dependence means: Germany knew that it was dependent on Russian oil and gas supplies. Now it is trying to free itself from this one-sided dependence. And the public discourse clearly marks: dependence on one supplier for vital goods is dangerous, limits a state’s ability to act.

    But what about the intangible good of independent information? Are we not also here aware of our dependence on a few actors – in this case not states, but platforms? Nevertheless, we accept it for the time being. Yet free information is the crude oil of a living democracy.

    Thirdly, the war in Ukraine shows us exactly that: how decisive, how vital independent information is. In this context, however, the Meta group even manages to gain ground in the public perception: Russia banned Facebook and Instagram as „extremist organisations“. The free world cheered and patted Marc Zuckerberg on the back for taking the „right“ side (for example, here). Meta even decided to allow calls for violence against Vladimir Putin and Russian soldiers, even death threats, in some countries. If this decision had gone the other way, Meta would have allowed death threats against the Ukrainian president – the worldwide outcry would have been huge. Yes, Meta acted morally right in this case, in my view.

    The striking thing is that Meta alone decides which „side“ it will take. In this case, „alone“ means without any public oversight. Without any serious consultation with the public (the Facebook Oversight Board is just window dressing with no binding effect).

    „Alone“ means that socially conspicuous ex-teens like Elon Musk or Marc Zuckerberg decide how opinions are formed in the Western world. Or Chinese oligarchs (at TikTok), who pretend to be independent at the beck and call of the regime in Beijing, but cower as soon as the state and party apparatus flinches.

    There are so many clear signs of what is happening: besides Ukraine or what happened on Twitter, the Cambridge Analytica scandal with its massive influence on the US election campaign or Brexit. Most recently, Russia’s massive campaign to track down TikTok creators and expose millions of users to Moscow’s propaganda.

    What does that mean?

    We are only a few steps away from alternative media, alongside the big platforms, no longer reaching their audience, from Facebook, TikTok & Co. dominating our opinion formation. We are only a few steps away from individuals deciding in a non-transparent way what we are allowed to read and thus know, supported by algorithms, the majority of which are programmed by white, well-off men (the bias of algorithms is another complex issue that will not be discussed in detail here).

    But do we really want to leave it up to white, socially conspicuous men, Chinese dictators and biased algorithms to decide what we think? Who duplicate millions of times over what polarises and divides society? Who do everything they can to dominate global opinion because it makes their coffers ring?

    „Digital dictatorship“ seems a bit far-fetched as the devil on the wall. But if a „dictatorship“ is understood as a form of rule characterised by a single ruling person, the dictator, or a ruling group of people (e.g. party, military junta, family or a group or person running a monopolistic platform) with far-reaching to unlimited political power, then we are not that far off. What if Meta had sided with Putin? What if a megalomaniac American president equalised the corporations in his country and thus opinion? I can think of at least one candidate I would trust to do that.

    What was that again about diversity of opinion?

    Why have we in Germany afforded ourselves a complicated media system with numerous checks and balances? Public broadcasting with overseeing councils, decidedly non-governmental, federally organised and financed by a „contribution“ – not a tax? With media boards that supervise private broadcasting? A system that has found models in many of our neighbouring countries after World War II? Why, for example, are publishing houses organised on an externally plural basis („außenplural“), why is the Federal Cartel Office responsible for merger control in the media sector with special competence and stricter rules than for purely commercial enterprises?

    Because we were convinced that freedom of expression must be protected. Because we were convinced that not too much power of opinion should be concentrated in the hands of a few. Does that only apply in the analogue and linear world, to printed newspapers and broadcasting via antenna? How can it be that we prohibit takeovers in the publishing sector while international corporations are blithely carving out monopolies of opinion? Meta would presumably have been broken up in Germany if it had had to obey the rules of linear media corporations.

    Is digital diversity of opinion less valuable than linear diversity? Is it not just as worthy of protection? Why are we throwing away in the digital world the values we defend in the linear media world?

    And what do we do?

    We shrug our shoulders, continue to use the family, kindergarten and school WhatsApp groups („Signal is missing three members“), share holiday pictures with grandpa and grandma on Facebook and sun ourselves on Instagram. Our children use TikTok, the most underestimated platform (because it is largely unknown to parents), where they mainly see Corona criticism, war propaganda and false ideals of beauty.

    „Burying our heads in the sand“ in the digital world means hiding our heads lowered behind our mobile phone screens. Instead of laughing with our children, we spend hours beaming our usage data to Silicon Valley. Instead of standing up and taking action, we are the worst possible role model for reflective media use behaviour, individually and socially.

    Because those who shape policy and media conveniently refer to the „Too Big To Fail“ nonsense. Does anyone remember Myspace? It no longer exists. Neither does the Roman Empire, for that matter. Platforms can also go out of business if their users run away. But we are hardly doing anything to weaken the big platforms today, on the contrary.

    We deal with „redirection strategies“, i.e. first publishers and broadcasters publish their precious content on Facebook, Youtube, TikTok & Co. and then try to guide users back to media libraries and their own offerings. The child is so deep in the well that we would not reach some users any other way.

    But what we are actually doing: With our content we continue to strengthen those who despise our values. With explanatory videos, balanced discussion and constructive journalism, we strengthen those corporations that confuse, polarise and destroy society. As long as people find our offerings on polarising, anti-democratic platforms, they will continue to use them.

    We media are pocketing the funding that Google’s „Digital News Initiative“ and the „Facebook Journalism Programme“ are luring us with. Money that the platforms have also earned because they continually weaken the traditional media. These alleged support programmes are unsurpassable in terms of cynicism: Those who destroy classical media generously grant life-extending financial injections. And those who point to quotes from people like Nick Clegg, the „President for Global Affairs“ at Meta, who sympathetically and differentiatedly tries to make his company seem friendlier, be told: this is all pretence, at most good-will, but without any resilient basis for his company not taking the „other“ side when push comes to shove. Marc Zuckerberg has taken every precaution to ensure that his descendants also call the shots in the company – and not a „President Of Global Affairs“ or an „Oversight Board“. They all act only at Zuckerberg’s mercy.

    What do we have to do?

    We – every single one of us – need to opt out of WhatsApp today and use alternatives.

    We need to log off Facebook and Instagram and convince our children to turn their backs on TikTok.

    We need to challenge the silent power of Spotify over the music we love and the word in podcasts and strengthen alternatives.

    We have to start now, before it is too late.

    We have to weaken the existing platforms by gradually not publishing our content there.

    We need to strengthen alternative platforms: they do exist! For example, the public service media libraries, or those of the private broadcasters who are finally talking about cooperation! Or internet niches like piqed, DuckDuckGo, Qwant (owned by Springer) – or the products of the Mozilla Foundation.

    This also means: We have to develop alternative financing models – payment and advertising – for media and the creator economy. Because only if an alternative ecosystem also secures income will it be strong enough to exist.

    If we don’t start building an alternative platform system, there will be no digital places where we can meet instead of Facebook, Youtube and TikTok. But we need these places, at the latest when media policy restricts the big platforms.

    This text is not the right place to design the structure of these alternative platforms (that’s what initiatives like beyondplatforms are dealing with.) But we need to start with it, get into the conversation, and quickly build up, try out, gain experience.

    We need to act together – public and private broadcasters, newspaper and magazine publishers as well as those who produce digital quality content (whether we call them content creators or journalists). While public broadcasters and publishers fight their perpetual feud over online content and weaken each other, platforms are passing them by as laughing third parties.

    We need to reform our media policy and make it capable of action: Often, in media federalism, we are not even able to act nationally (see the dispute over the broadcasting fee or the anachronistic rules of media supervision). We limit ourselves to regulating one part of the opinion machine – namely the one that is tangible in Germany. In doing so, we put publishers and broadcasters in Germany at a disadvantage compared to international platforms that, on the other hand, distribute content quasi unregulated.

    Media policy must ensure diversity of opinion – for example, by publishing algorithms and having democratically legitimised bodies oversee the content of the platforms. Media policy probably also has to unbundle (i.e. expropriate) if a platform concentrates too much opinion power on itself in an audience segment. It must block access if punishable content is not deleted (Telegram just got its act together).

    We see day after day how influential and powerful the big platforms are. It is time to act, time to defend diversity of opinion and thus our democracies and to decisively push back the influence of the big platforms.

    Looking back, history always asks: And what did you do? We cannot say that we did not know how great the danger to our democracies is. If the big platforms continue to grow stronger – and that is undoubtedly their goal! -then the path to digital dictatorship is not far away.

  • Let’s not talk about culture change!

    Let’s not talk about culture change!

    The term “cultural change” is treated by some executives only with keen fingers, and many employees don’t really know what this “cultural change” could actually be about. They sense: Something has to change in my company, but what exactly? Has this term – “culture change” – perhaps already been burned? And what could we use instead?

    On the one hand, „cultural change“ describes a profound, ongoing process that requires resources and changes the DNA of a company like no other. „Cultural change“ is the one process in which the management level also has to play a role in transforming a company: a new understanding of leadership – asking questions instead of knowing everything, making teams more diverse and empowering them to make decisions themselves, delegate and trust – new structures, new organizational patterns. „Cultural change“ is the prerequisite for successful innovation. In his innovation zine, Johannes Klingebiel writes: „If an innovation is to be successful, it always needs a simultaneous structural change.“ In this context, he quotes from Dan Hill’s „Dark Matter and Trojan Horses“ book: „You can’t design a transformative service, without redesigning the organization.“

    On the other hand, “culture change” is a soft term that can be interpreted at will and delegated away as an action, along the lines of: “Oh, and this culture change, you’re all doing it now, dear employees”. The phantom of „culture change“ that gives hope for change (or fear of it) but is not really tangible or measurable. The “cultural change” is tripping itself up because like a pudding it doesn’t want to stick to the wall.

    Perhaps we should therefore describe the necessary process differently, by naming it after its goal. But what is the goal of culture change? This can certainly be discussed at length and academically. For me, a culture change ultimately aims at a corporate culture and structure that allows you to continue to operate successfully on the market. In the complex, volatile, insecure VUCA world, this means being able to react quickly and adequately to unknown challenges.

    So: A cultural change takes place (not only, but above all) within a company – but only so that challenges from outside can be mastered. In this respect, from my point of view, cultural change is actually about achieving the state that is described as “cultural intelligence” with regard to individuals: “cultural intelligence” is the (apparently natural) ability to react appropriately to the unknown and ambivalent (see Harvard Business Review).

    While the „cultural intelligence“ of the individual comes into play above all in contact with „unknown cultures“, for me the cultural intelligence of a company or an organisation describes the ability to adapt the corporate culture to the unknown, ambivalent and changeable nature of the disruptive society „out there“ in a wy that helps innovation and transformation to succeed. Not once, but over and over again. To avoid any misunderstanding: „Cultural intelligence of an organization“ needs a broad concept of culture in order to be understood, because it is also about the ability to adapt to social, economic and technological changes.

    „Culture change“ is aimless. “Cultural Intelligence of an organization” describes this goal. A clarification that I believe is important in order to get the necessary change going. Let’s not talk about culture change.

  • Let´s not talk about #Kulturwandel!

    Let´s not talk about #Kulturwandel!

    Das Wort „Kulturwandel“ fasst manche Führungskraft nur mit spitzen Fingern an, und viele Mitarbeitende wissen auch nicht so recht, worum es bei diesem „Kulturwandel“ eigentlich gehen könnte. Sie spüren: In meinem Unternehmen muss sich etwas verändern, aber was genau? Ist dieses Wort – „Kulturwandel“ – vielleicht schon verbrannt? Und was könnten wir stattdessen nutzen?

    Denn: „Kulturwandel“ beschreibt auf der einen Seite einen tiefgreifenden, fortwährenden Prozess, der Ressourcen braucht und wie kaum ein anderer tief in die DNA eines Unternehmens eingreift. „Kulturwandel“ ist der eine Prozess, bei dem in der Transformation eines Unternehmens auch die Führungsebene mitspielen muss: ein neues Verständnis von Führung – Fragen stellen statt alles wissen, Teams diverser aufstellen und ermächtigen, auch selbst Entscheidungen zu treffen, delegieren und vertrauen – neue Strukturen, neue Organisationsformen. „Kulturwandel“ ist die Voraussetzung für erfolgreiche Innovationen. In seinem Innovations-Zine schreibt Johannes Klingebiel: „Wenn eine Innovation erfolgreich sein soll, benötigt sie immer einen gleichzeitigen Strukturwandel.“ Er zitiert in diesem Zusammenhang aus Dan Hills „Dark Matter and Trojan Horses“-Buch: „You can‘t design a transformative service, without redesigning the organisation.“

    Auf der anderen Seite ist „Kulturwandel“ ein wachsweicher Begriff, der beliebig interpretiert und als Handlung wegdelegiert werden kann, nach dem Motto: „Ach, und diesen Kulturwandel, den machen Sie nun alle, liebe Mitarbeitende“. Das Phantom „Kulturwandel“, das Hoffnung auf Veränderung (oder Angst vor ebendieser) macht, aber nicht wirklich greifbar oder messbar ist. Wandel um des Wandels willen – der „Kulturwandel“ stellt sich selbst ein Bein, weil er wie ein Pudding nicht halten will an der Wand.

    Vielleicht sollten wir den nötigen Prozess daher anders beschreiben, nämlich, indem wir ihn nach seinem Ziel benennen. Aber was ist das Ziel eines Kulturwandels? Darüber kann man sicher lang und trefflich akademisch debattieren. Für mich zielt ein Kulturwandel letztendlich auf eine Unternehmenskultur und -struktur, die es erlaubt, weiterhin erfolgreich am Markt zu agieren. In der komplexen, volatilen, unsicheren VUCA-Welt bedeutet das, auf unbekannte Herausforderungen schnell und adäquat reagieren zu können.

    Also: Ein Kulturwandel findet (nicht nur, aber vor allem) innerhalb eines Unternehmens statt – das aber nur, damit Herausforderungen von außen bewältigt werden können. Insofern geht es aus meiner Sicht beim Kulturwandel eigentlich darum, in etwa den Zustand zu erreichen, der mit Blick auf Individuen als „Kulturelle Intelligenz“ beschrieben wird: „Kulturelle Intelligenz“ ist die (scheinbar natürliche) Fähigkeit, auf Unbekanntes und Ambivalentes treffend zu reagieren. (zitiert nach Harvard Business Review).

    Während die „kulturelle Intelligenz“ des Einzelnen vor allem im Kontakt mit „unbekannten Kulturen“ zum Tragen kommt, beschreibt die kulturelle Intelligenz eines Unternehmens für mich die Fähigkeit, die Unternehmenskultur dem unbekannten, ambivalenten und wechselhaften Wesen der disruptiven Gesellschaft „da draußen“ so anzupassen, dass im Unternehmen erfolgreiche Innovation und Transformation gelingen. Nicht einmal, sondern immer wieder. Damit kein Missverständnis aufkommt: „Kulturelle Intelligenz“ braucht zum Verständnis einen weiten Kulturbegriff, weil es auch um die Anpassungsfähigkeit an soziale, ökonomische und technologische Veränderungen geht.

    „Kulturwandel“ ist ziellos. „Kulturelle Intelligenz“ beschreibt dieses Ziel. Eine Klarstellung, die aus meiner Sicht wichtig ist, um den notwendigen Wandel in Fahrt zu bringen. Let´s not talk about Kulturwandel.

  • Why Does Innovation Get Stuck?

    Why Does Innovation Get Stuck?

    Why does Innovation get stuck? Because media companies often only innovate where it is easy to do. Possibly banal – but widespread:

    🟢 Developing new products often works very well: with a development budget (limited additional money) or commitment, with wild ideas, laboratories and „somehow“ – or even structured processes (🟡), for example, the new Instagram-channel or the data bot about the corona situation.

    🟡 What we do less often is change workflows and try out new methods. Some consequences:
    – Products are unsuccessful, for example because we haven’t spoken to the # users… again! (methods)
    – Even good products die because there are no resources for continuation in the „regular business“ – because we do not change the regular business (workflows), for example we do not stop doing less succesful things. (Unless we condense work until people groan or get sick.)

    🔴 In my perception, the reason for this is often that companies do not address the structural innovation (transformation) of the organization: cultural change, a new understanding of leadership, changed supervisory bodies.
    Why? Because this process is the most demanding, possibly difficult. And because bosses have to change themselves and their work when it comes to this topic. Cultural change needs resources, processes, and the commitment of the management level.

    🟡 and 🟢 will only work in the long term if companies also address this issue 🔴. If not, working at the company will be exhausting, especially for employees who are expected to „innovate“ – but who wear themselves out in innovation-averse structures.

  • Warum Innovation hakt

    Warum Innovation hakt

    Warum hakt Innovation? Weil Medienunternehmen sich Innovation oft nur da zutrauen, wo sie leicht fällt. Möglicherweise banal – aber weit verbreitet:

    🟢 Neue Produkte zu entwickeln, funktioniert oft noch ganz gut: mit einem Entwicklungsetat (also begrenztem zusätzlichem Geld) oder Engagement, mit wilden Ideen, Laboren und „irgendwie“ – oder gar strukturierten Prozessen (🟡) entsteht zum Beispiel der neue Instagram-Auftritt oder der Daten-Bot zur Corona-Lage.

    🟡 Was uns schon etwas seltener gelingt, ist dafür auch Workflows zu verändern und neue #Methoden auszuprobieren. Einige Folgen:
    – Produkte sind erfolglos, zum Beispiel, weil wir wieder nicht mit den Nutzer*innen gesprochen haben (Methoden).
    – Auch gute Produkte sterben, weil es keine Ressourcen für die Fortsetzung im „Regelgeschäft“ gibt – weil wir das Regelgeschäft (Workflows) nicht ändern, zum Beispiel nicht verzichten. (Es sei denn, wir verdichten Arbeit so lange, bis Menschen ächzen oder krank werden.)

    🔴 Die Ursache auch dafür liegt nach meiner Wahrnehmung oftmals darin, dass Unternehmen die #strukturelle Innovation der Organisation (Transformation) nicht angehen: Kulturwandel, neues Führungsverständnis, veränderte Aufsichtsgremien (und einiges mehr, wie Organisationsstruktur, Honorarsysteme, Finanzordnungen etc.) – bis hin zu Diversität auch in Gremien.
    Warum? Weil dieses Brett das dickste ist, aufwändig. Und weil bei diesem Thema auch Chefs sich und ihre Arbeit ändern müssen. Kulturwandel braucht Ressourcen, Prozess, das Commitment der Führungsebene.

    Dauerhaft werden 🟡 und 🟢 nur funktionieren, wenn Unternehmen auch dieses Thema 🔴 angehen. Wenn nicht, wird es anstrengend, vor allem für Mitarbeiter*innen, von denen „Innovation“ erwartet wird – die sich in innovationsaversen Strukturen aber aufreiben.

  • The Wannabe Company

    The Wannabe Company

    In the course of a supposed cultural change, some companies become „wannabe companies„: They pretend to be something different from what they are. The consequences are felt primarily by the employees. How does this (and what exactly) happen?

    Hardly any process is more underestimated in companies than a sustainable cultural change: It needs resources, it needs time and the commitment (also) of the top management level. Uff. Some people wish (rightly so): If only we were further along!

    If this desire reflects in a changing communication in the company, a problem might arise: Although the company is not (yet) seriously pursuing cultural transformation, some buzzwords can be heard through meetings and read in strategy papers. It is said that the company is already „agile„, one works in flat hierarchies. The error culture has already changed – everyone can try things out and make mistakes. And so forth.

    Only: The company is still on the starting block when it comes to these issues. The words are no more than an announcement. If they were marked as such, if they described a path, that would be great from my point of view. Often enough, however, the process itself is perceived as too high a hurdle, whether consciously or unconsciously. Some executives then choose the proclamation of „agility“ and „flat hierarchies“ as a way out, as both the beginning and the end. The company subliminally becomes a „wannabe company“ because it pretends to live a different corporate culture than the one that actually exists. This probably often happens unconsciously, with good intentions. But „well intentioned“ is sometimes not the same as „well done“.

    An example: Recently, I was able to listen a company-wide conference in which the management presented the impressive new process for strategy-driven product innovation. The CEO said in passing: „This is a real culture change“. In my view, this is a misunderstanding: Because the process of product innovation can at best be an element of cultural change. Its success presumably depends on the cultural change also sustainably transforming the organizational structure, understanding of leadership and workflows.

    What are the consequences? From my point of view employees (including management) are losing an important orientation framework: When the company was still managed strictly hierarchically according to the waterfall and nobody said anything else, everyone knew where they stood . Now they hear that everything is already different – but they feel that this is not the case. The expectation that they work „differently“, modernly and agilely, without being supported by changed processes and structures – by a transformation of the company – weighs on the shoulders of the employees.

    The joint change process is missing, in which concerns and ideas are discussed, in which goals are explained and filled with life. Because the „process“ is (subconsciously) already considered „completed“ – somewhat inadmissibly exaggerated, this would be „agility by decree“.

    That confuses and unsettles. It is tiring because employees invest a lot of energy and hope in a new attitude that has no equivalent in the company. And the company management is also making it difficult because the expectations towards corporate culture are increasing – and with that the disappointment may also be growing in view of the real circumstances.

  • Das „Möchtegern-Unternehmen“

    Das „Möchtegern-Unternehmen“

    Im Zuge eines vermeintlichen Kulturwandels werden manche Unternehmen zu „Möchtgern-Unternehmen„: Sie geben vor, etwas anderes zu sein als sie sind. Die Folgen spüren vor allem die Mitarbeitenden. Wie das (und was genau) passiert?

    Kaum ein Prozess wird in Unternehmen mehr unterschätzt als ein nachhaltiger Kulturwandel: Er braucht Ressourcen, er braucht Zeit und das Commitment (auch) der obersten Führungsebene. Uff. Mancher wünscht sich da (zu recht): Wenn wir nur schon weiter wären!

    Schafft es dieser Wunsch, die Kommunikation im Unternehmen zu verändern, kann ein Problem entstehen: Obwohl das Unternehmen den Kulturwandel (noch) nicht ernsthaft betreibt, klingen durch Meetings und Strategien schon manche Buzzwords. Es wird gesagt, das Unternehmen sei jetzt schon „agil„, man arbeite in flachen Hierarchien. Die Fehlerkultur habe sich bereits geändert – jeder dürfe ausprobieren und Fehler machen. Und so weiter.

    Einzig: Das Unternehmen steht bei diesen Themen eben noch auf dem Startblock. Die Worte sind nur eine Ankündigung. Würden sie als solche markiert, würden sie einen Weg beschreiben, wäre das aus meiner Sicht prima. Oft genug wird der Prozess selbst aber als zu hohe Hürde empfunden, ob bewusst oder unbewusst. Manche Führungskraft wählt die Verkündung von „Agilität“ und „flachen Hierarchien“ dann als Ausweg, als Beginn und Schlusspunkt gleichermaßen. Das Unternehmen wird so unterschwellig zum „Möchtegern-Unternehmen„, weil es vorgibt, eine andere Unternehmenskultur zu leben als die, die real existiert. Das geschieht vermutlich oft unbewusst, mit guten Intentionen. Aber „gut gemeint“ ist manchmal leider nicht gleich „gut gemacht“.

    Ein Beispiel: Kürzlich durfte ich einer unternehmensweiten Schalte lauschen, in der eine Unternehmensleitung den durchaus eindrucksvollen neuen Prozess für strategiegetriebene Produktinnovation vorstellte. Der CEO sagte in einem Nebensatz: „Dies ist ein echter Kulturwandel“. Hier liegt für mich das Missverständnis: Denn der Prozess zur Produktinnovation kann allenfalls ein Element des Kulturwandels sein. Vermutlich hängt sein Erfolg davon ab, dass der Kulturwandel nachhaltig auch Organisationsstruktur, Führungsverständnis und Workflows transformiert.

    Was sind die Folgen dieses Missverständnisses? Aus meiner Sicht verlieren die Mitarbeitenden (Vorgesetzte eingeschlossen) wichtige Orientierung: Als das Unternehmen noch streng hierarchisch nach Wasserfall geführt wurde und auch niemand etwas anderes sagte, wussten alle, woran sie waren. Nun hören sie, alles sei bereits anders – sie spüren aber, dass dies nicht so ist. Auf den Schultern der Mitarbeitenden lastet die Erwartung, dass sie „anders“, modern und agil arbeiten, ohne, dass sie Unterstützung durch veränderte Prozesse und Strukturen – durch eine Transformation des Unternehmens – erfahren.

    Der gemeinsame Change Prozess fehlt, in dem Sorgen, Ideen zur Sprache kommen, in dem Ziele erklärt und mit Leben gefüllt werden. Denn der „Prozess“ gilt (unterbewusst) bereits als „abgeschlossen“ – etwas unzulässig zugespitzt wäre dies „Agilität per Dekret“.

    Das verwirrt und verunsichert. Es ermüdet, weil Mitarbeitende viel Energie und Hoffnung in eine neue Haltung investieren, die aber keine Entsprechung im Unternehmen findet. Und auch die Unternehmensführung macht es sich schwer, weil die Erwartungen an die Kultur steigen – und damit möglicherweise auch die Enttäuschung wächst angesichts der realen Umstände.