Das Wort „Kulturwandel“ fasst manche Führungskraft nur mit spitzen Fingern an, und viele Mitarbeitende wissen auch nicht so recht, worum es bei diesem „Kulturwandel“ eigentlich gehen könnte. Sie spüren: In meinem Unternehmen muss sich etwas verändern, aber was genau? Ist dieses Wort – „Kulturwandel“ – vielleicht schon verbrannt? Und was könnten wir stattdessen nutzen?
Denn: „Kulturwandel“ beschreibt auf der einen Seite einen tiefgreifenden, fortwährenden Prozess, der Ressourcen braucht und wie kaum ein anderer tief in die DNA eines Unternehmens eingreift. „Kulturwandel“ ist der eine Prozess, bei dem in der Transformation eines Unternehmens auch die Führungsebene mitspielen muss: ein neues Verständnis von Führung – Fragen stellen statt alles wissen, Teams diverser aufstellen und ermächtigen, auch selbst Entscheidungen zu treffen, delegieren und vertrauen – neue Strukturen, neue Organisationsformen. „Kulturwandel“ ist die Voraussetzung für erfolgreiche Innovationen. In seinem Innovations-Zine schreibt Johannes Klingebiel: „Wenn eine Innovation erfolgreich sein soll, benötigt sie immer einen gleichzeitigen Strukturwandel.“ Er zitiert in diesem Zusammenhang aus Dan Hills „Dark Matter and Trojan Horses“-Buch: „You can‘t design a transformative service, without redesigning the organisation.“
Auf der anderen Seite ist „Kulturwandel“ ein wachsweicher Begriff, der beliebig interpretiert und als Handlung wegdelegiert werden kann, nach dem Motto: „Ach, und diesen Kulturwandel, den machen Sie nun alle, liebe Mitarbeitende“. Das Phantom „Kulturwandel“, das Hoffnung auf Veränderung (oder Angst vor ebendieser) macht, aber nicht wirklich greifbar oder messbar ist. Wandel um des Wandels willen – der „Kulturwandel“ stellt sich selbst ein Bein, weil er wie ein Pudding nicht halten will an der Wand.
Vielleicht sollten wir den nötigen Prozess daher anders beschreiben, nämlich, indem wir ihn nach seinem Ziel benennen. Aber was ist das Ziel eines Kulturwandels? Darüber kann man sicher lang und trefflich akademisch debattieren. Für mich zielt ein Kulturwandel letztendlich auf eine Unternehmenskultur und -struktur, die es erlaubt, weiterhin erfolgreich am Markt zu agieren. In der komplexen, volatilen, unsicheren VUCA-Welt bedeutet das, auf unbekannte Herausforderungen schnell und adäquat reagieren zu können.
Also: Ein Kulturwandel findet (nicht nur, aber vor allem) innerhalb eines Unternehmens statt – das aber nur, damit Herausforderungen von außen bewältigt werden können. Insofern geht es aus meiner Sicht beim Kulturwandel eigentlich darum, in etwa den Zustand zu erreichen, der mit Blick auf Individuen als „Kulturelle Intelligenz“ beschrieben wird: „Kulturelle Intelligenz“ ist die (scheinbar natürliche) Fähigkeit, auf Unbekanntes und Ambivalentes treffend zu reagieren. (zitiert nach Harvard Business Review).
Während die „kulturelle Intelligenz“ des Einzelnen vor allem im Kontakt mit „unbekannten Kulturen“ zum Tragen kommt, beschreibt die kulturelle Intelligenz eines Unternehmens für mich die Fähigkeit, die Unternehmenskultur dem unbekannten, ambivalenten und wechselhaften Wesen der disruptiven Gesellschaft „da draußen“ so anzupassen, dass im Unternehmen erfolgreiche Innovation und Transformation gelingen. Nicht einmal, sondern immer wieder. Damit kein Missverständnis aufkommt: „Kulturelle Intelligenz“ braucht zum Verständnis einen weiten Kulturbegriff, weil es auch um die Anpassungsfähigkeit an soziale, ökonomische und technologische Veränderungen geht.
„Kulturwandel“ ist ziellos. „Kulturelle Intelligenz“ beschreibt dieses Ziel. Eine Klarstellung, die aus meiner Sicht wichtig ist, um den notwendigen Wandel in Fahrt zu bringen. Let´s not talk about Kulturwandel.